Die Geschichte des Waldes im Hohen Venn

Pflanzen nach Zeit
Pflanzen nach Zeit

Mit Hilfe von Pollen und Sporen oder Holz- und Blattresten in den Torfablagerungen des Hohen Venns lässt sich heute die Geschichte des Waldes in diesem Gebiet seit Beginn des Holozäns vor 10.000 Jahren vor heute recht zuverlässig rekonstruieren.

Für die noch kühle Präboreal- und Boreal-Zeit (10.000 – 8.000 Jahre vor heute) beschränkt sich die pflanzliche Überlieferung noch hauptsächlich auf Baumstümpfe und Zweige von Kiefern, Birken und Erlen. Gegen Ende der Borealzeit zog sich die Kiefer wieder zurück. Dafür entstanden dichtere Birkenwälder und Erlengehölze. Die Torfbildung dieser Zeit beschränkte sich noch auf kleine Moor- und Wasserflächen innerhalb der Ringwälle von Lithalsen.

Erst seit Beginn des Atlantikums (8.000 – 5.000 Jahre vor heute), des wärmsten Abschnitts des Holozäns, breiteten sich größere Moorflächen über das Hohe Venn aus. Zunächst besiedelten Torfmoose und Binsen die freien Wasserflächen der Lithalsen. Später wuchsen sie auch über deren Ringwälle hinaus. In ihrer noch trockenen Umgebung breiteten sich Eichen- und Erlenwälder aus. Außerdem wuchsen hier Ulmen, Linden und Haselbüsche. Später kamen auch Buchen dazu.

Eine kurzzeitige Abkühlung während des anschließenden Subboreals (5.000 - 2.500 Jahre vor heute) führte in den neu entstandenen Moorgebieten zur Zunahme von Heidekraut und zur Ausbreitung von Birkengehölzen. Aus den Wäldern rundum verschwanden in dieser Zeit die Eichen und Linden. Buchen, Hasel und Erlen blieben jedoch häufig.

Im wieder wärmeren und feuchteren Subatlantikum (seit 2.500 Jahren bis heute) setzte eine besonders starke Moorbildung ein. Um die Moorflächen herum bestand weiterhin Wald. Auf dem nach Nordwesten exponierten luvseitigen Abfall des Hohen Venns wuchsen Eichen-Birkenwälder. In höheren, feuchteren Teilen dominierten Moorbirkenwald und ganz oben moorige Erlen- und Birkenwälder.

Auf dem südöstlichen Vennabfall siedelten in den steileren Talhängen Eichen- und Hainbuchenwälder und zur Höhe hin Rotbuchenwälder. Tatsächlich war das Hohe Venn bis in das Mittelalter hinein zu 90 % von einem dichten Laubwald bedeckt.

Erst seit dem Hochmittelalter entstanden immer mehr bäuerliche Siedlungen rund um die Vennhochfläche und die Menschen begannen, diese waldreiche und moorige Naturlandschaft zu verändern. Sie rodeten den Wald oder nutzten ihn und die neu entstehenden Ödflächen als Viehweide. Sie schlugen Holz als Bau- und Brennholz und bauten zum Heizen Torf ab. Sie betrieben Köhlerei und schälten die Eichen zur Gewinnung von Lohe.

Alle diese Eingriffe führten dazu, dass am Ende des 18. Jahrhunderts auf der so gut wie menschenleeren Vennhochfläche fast kein Wald mehr wuchs.

Zwischen 1775 und 1779 begann deshalb die österreichische Forstverwaltung Limburgs im Hertogenwald auf dem Nordhang des Hohen Venns Fichten zu pflanzen. Nach Gründung des Königreichs Belgien 1830 setzte die belgische Regierung diese Arbeit fort und legte auch bereits in den höheren Venngebieten Fichtenkulturen an. Schließlich begann auch Preußen, in den ihm 1816 zugesprochenen Teilen der Vennhochfläche brach liegende Flächen mit Fichten aufzuforsten.

Dazu wurden zuerst die nicht entwässerungsbedürftigen Härtlingsrücken bepflanzt. Später legte man in den feuchteren Senken und Mooren Entwässerungsgräben an und bereitete auf diese Weise große Flächen für die Aufforstung vor. Noch heute haben Nadelhölzer 90% Anteil am Vennwald.

Fichten galten in der Zeit des industriellen Aufbruchs wegen ihres schnellen Wachstums (10 - 15 m3 pro ha und Jahr) und ihres hohen Verkaufspreises als wirtschaftlich rentabel. Heute sieht man eher die Probleme von Fichtenmonokulturen. Fichtennadeln vergehen nur langsam und bilden eine saure Rohhumusdecke, die den Boden für lange Zeit verdirbt. Auch lässt die Lichtarmut dichter Fichtenforsten eine Bodenvegetation nicht zu.

Schließlich bedingen die Bewegungen der flachen Wurzelteller der Fichten bei starkem Wind eine deutliche Verdichtung der obersten Bodenschicht, so dass kaum Niederschlagwasser in den tieferen Untergrund eindringen kann. Weil den Fichten tiefer in den Boden reichende Wurzeln ganz fehlen, sind sie auch stark windwurfgefährdet. Dazu kommt die Gefährdung von Fichtenmonokulturen durch Schädlingsbefall (Borkenkäfer).

Inzwischen hat der Umbau des hohen Nadelholzanteils in den Wäldern des Hohen Venns begonnen. Die Forstverwaltungen achten heute darauf, die sicherlich auch in Zukunft wirtschaftlich notwendigen Fichtenforsten mit Neupflanzungen heimischer Laubbäume wie Eichen und Moorbirken zu mischen.

Daneben unterstützt das umfangreiche EU-Förderprogramm LIFE die Renaturierung von ehemaligen Heide- und Moorflächen, die in den vergangenen 150 Jahren den Fichtenwäldern weichen mussten. Vom Nadelholz befreite Flächen werden geschält, um das Aufwachsen von Heidekrautgewächsen zu begünstigen. Und auf den nassen Böden ursprünglicher Moorflächen werden früher angelegte Drainagegräben verschlossen, um wieder Moore entstehen zu lassen.

Aber auch wenn die noch erhaltenen bzw. zu renaturierenden Moor- und Heidegebiete heute den besonderen Charakter des Hohen Venns ausmachen, so werden sie doch verhältnismäßig kleine Freiflächen innerhalb der großen zusammenhängenden Waldgebiete, die sie umgeben, bleiben.

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