Die ganze Geschichte der Jülicher und Zülpicher Börde

Oberflächennah bestehen die weiten Verebnungen der Jülicher und der Zülpicher Börde aus großflächigen Sand- und Kiesablagerungen des geologisch noch jungen Rhein-Maas-Flusssystems mit einer dünnen Lössauflage. Durch den Steinkohlen- und Braunkohlenbergbau zwischen der Wurm im Westen und der Erft im Osten wurden aber auch tieferliegende geologische Stockwerke aus der Oberkarbon-Zeit und Tertiär-Zeit zugänglich gemacht.


Die Zeit der Steine in der Jülicher und Zülpicher Börde
Die Zeit der Steine in der Jülicher und Zülpicher Börde

Die Zeit der Steine

So beginnt also die nachvollziehbare Geschichte der Jülicher Börde mit der Entstehung der Steinkohlen führenden Schichten der Oberkarbon-Zeit im Untergrund des nördlichen Wurmreviers zwischen Herzogenrath, Alsdorf und Übach-Palenberg. Sie wurden bis in einer Tiefe zwischen 40 m und 300 m bergbaulich erschlossen. Das mit der Kohle zutage geförderte Nebengestein ist heute in den zahlreichen Bergehalden des Reviers noch direkt zugänglich.

Die Steinkohlenflöze gingen aus den Torfbildungen ausgedehnter Waldmoore hervor und die sie begleitenden Tonsteine und Sandsteine aus Ablagerungen breiter Flussdeltas und verlandender Seen. Diese Gegend lag damals im nördlichen Vorfeld des im Gebiet der heutigen Eifel und Ardennen aufsteigenden Variszischen Gebirges. Später wurden auch die Oberkarbon-Gesteine des Wurm-Reviers noch in eine schwache variszische Vorlandfaltung mit einbezogen.

Durch Faltung und Heraushebung wurde danach das ganze Vorland des Variszischen Gebirges für lange Zeit ein sedimentfreies Festland. Jedenfalls sind hier keine Ablagerungen der Trias-Zeit bis Tertiär-Zeit überliefert. Vielmehr unterlag das Gebiet viele Millionen Jahre lang einer intensiven Verwitterung und Abtragung.

Erst für die frühe Tertiär-Zeit gibt es klare Anzeichen für eine tektonische Absenkung dieses Bereichs bis unter den Meeresspiegel. Ein neu entstehendes Sedimentbecken erlaubte eine weite Meeresüberflutung von Norden her bis in das Gebiet der heutigen Nordeifel (Niederrheinische Bucht). Dieses Tertiär-Meer hinterließ neben dunklen Tonen vor allem auch vor den Küsten gut aufgearbeiteten Quarzsand.

Wenn es infolge von Meeresspiegelschwankungen zu Verschiebungen der Küstenlinie kam, breiteten sich hinter den Sandstränden ausgedehnte Waldmoore aus. Aus deren Torfen bildeten sich Braunkohlenflöze. Heute werden eine Mittlere (Hauptflöz-) Gruppe und eine Obere Flözgruppe der jüngeren Tertiär-Zeit (Miozän) in großen Braunkohle-Tagebauen abgebaut. Dadurch, dass gleichzeitig mit der Moorbildung der Untergrund stark sank, erreichte besonders die Hauptflözgruppe (Ville-Schichten) eine große Mächtigkeit (bis 100 m).

Gegen Ende der Tertiär-Zeit hatte sich das Meer vollständig aus der Niederrheinischen Bucht zurückgezogen. Das ganze Gebiet der Jülicher und Zülpicher Börde wurde mit Flusssand und -kies und mit tonigen Seesedimenten überzogen (Hauptkiesserie, Rotton-Serie). Über diesen Fluss- und Seesedimenten der jüngsten Tertiär-Zeit folgte dann die Bildung der quartärzeitlichen Flussterrassen, die heute noch das Landschaftsbild der Jülicher und Zülpicher Börde prägen.

Zuerst wurde zwischen 2,4 Mio Jahren und etwa 800.000 Jahre vor heute eine sandig-kiesige Hauptterrasse aufgeschottert. Im Westen, etwa bis Jülich, erhielt ein älterer Teil seinen Kies und Sand aus dem Einzugsgbiet der frühen Maas (Ostmaas). Weiter im Osten erhielt die Ältere Hauptterrasse ihre Flussablagerungen aus dem Einzugsgebiet eines damaligen Urrheins weit im Südosten. Dieser Urrhein floss also damals über das Gebiet der Zülpicher und östlichen Jülicher Börde nach Norden.

Später, in der Jüngeren Hauptterrassenzeit ab 800.000 Jahre vor heute, nahm die Maas wegen der Anhebung und Schrägstellung der Aachen-Maastrichter Keidetafel ihre heutige nördliche Fließrichtung an (Westmaas). Der Urrhein konnte daraufhin seinen Sand und Kies über die ganze heutige Bördenlandschaft verteilen.

Stärkere tektonische Senkungsbewegungen entlang großer Abschiebungen, z. B. der Rurrand-Verwerfung und des Erftsprungsystems, kompensierte der Urrhein durch größere Schichtmächtigkeiten (bis 40 bzw. 100 m). Im unmittelbaren Vorland der heutigen Eifel breiteten die Inde, die Rur und wahrscheinlich auch noch einige weitere kleine Eifelflüsse die sogenannten Eifelschotter aus.


Die Zeit des Reliefs in der Jülicher und Zülpicher Börde
Die Zeit des Reliefs in der Jülicher und Zülpicher Börde

Die Zeit des Reliefs

Mit Beginn der quartärzeitlichen Kaltzeiten vor etwa 400.000 Jahren wurde auch das Tiefland zwischen Rhein und Maas in eine beschleunigte tektonische Anhebung des Eifel-Ardennen-Gebietes einbezogen. Der Rhein verlagerte daraufhin seinen Lauf nach Osten in sein heutiges Flussgebiet. In der Jülicher und Zülpicher Börde ging damit die Ablagerung fluviatiler Sedimente stark zurück.

An den bis dahin aktiven Schollengrenzen (Rurrand-Verwerfung, Erftsprung-System u.a.) machten sich aber weiterhin tektonische Hebungsbewegungen durch heute mehrere Meter hohe Geländestufen bemerkbar. Außerdem begannen sich die Eifelflüsse Inde, Rur und Erft tief und breit in die Hauptterrassenflächen einzuschneiden. Diese Einschnitte wurden aber während der Elster- und Saale-Kaltzeit (zwischen 450.000 und 100.000 Jahre vor heute) wieder auf ein oder mehrere Mittelterrassenniveaus aufgefüllt.

Nach der Saale-Kaltzeit folgte dann die letzte große Talvertiefung. Die Rur und die Inde räumten breite Strombetten aus, in denen im Verlauf der folgenden Weichsel-Kaltzeit (zwischen 40.000 und 12.000 Jahre vor heute) zwischen 2 und 5 m mächtige Schotter als Niederterrassen akkumulierten.

Weichselzeitliches Alter besitzt auch der Löss. Er überdeckt fast lückenlos die ausgedehnten Haupt- und Mittelterrassenflächen der Börden. Seine Mächtigkeit ist unterschiedlich. Östlich der Rur überzieht eine meist 1-2 m dicke Lössdecke die Hauptterrassse. Westlich der Rur, auf Südlimburg zu, sind Mächtigkeiten zwischen 5 und 10 m nicht selten. Nach Nordwesten geht der weichselzeitliche Löss in einen eher feinsandigen Löss über. In feuchteren und wärmeren Zeiten entwickelten sich auf dem eingewehten Löss Tundren und erste Waldböden.


Die Zeit der Menschen in der Jülicher und Zülpicher Börde
Die Zeit der Menschen in der Jülicher und Zülpicher Börde

Die Zeit der Menschen

Nach starken Klimaschwankungen am Ende der letzten Kaltzeit (Weichsel-Kaltzeit) vor 12.500 Jahren waren artenreiche Laubwälder mit Eichen, Hainbuchen, Rotbuchen, Ahornbäumen, Ulmen und Linden die natürliche Vegetation der Jülicher und Zülpicher Börde. Gegen 5300 v. Chr. begannen die ersten jungsteinzeitlichen Bauern diesen Wald zu roden und Platz für Siedlungen und Äcker zu schaffen. 3.000 Jahre später nahmen keltische Siedler von dem Land Besitz.

Mit einem Sieg der Römer über den keltischen Stamm der Eburonen im Jahr 51 v. Chr. begann die römische Militärherrschaft auch über das Gebiet der Börden. Es entstanden Heerstraßen wie die Via Belgica von Köln über Jülich nach Boulogne-sur-Mer und die Agrippastraße von Köln über Zülpich nach Trier. Mit den Straßen und Nebenstraßen war die Gründung von Wegestationen und römischen Hofstellen (villae rusticae) verbunden. Noch heute zeugen archäologische Funde von der Vielzahl römischer Niederlassungen in diesen fruchtbaren Ebenen.

Seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. wurde das Gebiet dann von Franken beherrscht und besiedelt. Sie begannen in größerem Ausmaß Wald zu roden und Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Vom 11. und 12. Jahrhundert an gehörten das Jülicher und Zülpicher Land zur Grafschaft - später Herzogtum - Jülich. Ortsnamen und Siedlungsformen zeigen, dass bis in die hochmittelalterliche Rodungsperiode hinein immer noch neues Ackerland erschlossen wurde.

1794 fiel das linksrheinische Rheinland unter französische Herrschaft. Jülich wurde Hauptstadt eines neuen französischen Départements Roer. Nach dem Abzug der Franzosen machten die Preußen 1816 daraus ihre Rheinprovinz. Sie legten großen Wert auf eine Verbesserung der Infrastruktur. Fernstraßen und Eisenbahnen wurden gebaut. Gegen 1820 entstanden bei Eschweiler und Zülpich die ersten Braunkohlengruben.

In den 1840er Jahren gelang es erstmals, den lockeren Tertiärsand über dem Steinkohlenstockwerk des nördlichen Wurmreviers mit Schächten zu durchteufen und dort Steinkohle zu fördern. Um 1910 verband ein dichtes Netz von Eisenbahnstrecken die Börden mit ihrem Umfeld.

Der Zweite Weltkrieg führte zu schlimmen Zerstörungen. Im Winter 1944/45 bildete die Rur die Frontlinie. Düren und Jülich gehörten zu den am stärksten zerstörten Städten Deutschlands. Die Nachkriegszeit war dann weiterhin von großen Umgestaltungen der Landschaft geprägt. Mehrere große Braunkohlentagebaue erforderten die Umsiedlung ganzer Dörfer. Die Verkehrsstruktur änderte sich, indem viele Nebenstrecken der Eisenbahn stillgelegt wurden und dafür Autobahnen die Börden durchschneiden.

Die Nähe zu den Ballungsgebieten am Rhein und im Aachener Raum brachte einen bedeutenden Bevölkerungszuwachs mit sich. Doch zwischen den sich scheinbar unaufhaltsam ausdehnenden Wohnsiedlungen und Industriezentren bestehen immer noch ausgedehnte freie Flächen für den traditionellen durch Lössboden und Klima begünstigten Weizen- und Zuckerrübenanbau.

Aktiv ist auch weiterhin die Bruchschollentektonik der Jülicher und Zülpicher Börde entlang ihren Südost-Nordwest verlaufenden Verwerfungen. Allein in den letzten 250 Jahren ereigneten sich hier nach instrumentellen Registrierungen (ab 1954) und historischen Aufzeichnungen 60 starke Erdbeben.

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